NutzerInnen in energieautonomen Gebäuden und Quartieren – Komfort und Anwendungsfreundlichkeit für alle?

Workshop im Rahmen des BauZ! Wiener Kongress für zukunftsfähiges Bauen 2019

Ein ungeplanter Start: Da der Impulsvortrag zu CO2-armen Lebensstilen durch ganzheitliche Sanierung, Flächensuffizienz und gemeinschaftliche Mobilitätskonzepte durch Immanuel Stieß leider abgesagt werden musste, stieg Thomas Zelger, Stadt Wien Stiftungsprofessor für energieeffiziente und nutzerInnenfreundliche Gebäude und Quartiere an der FH Technikum Wien, mit dem Begriff „Energieautonomie“ aus Sicht des Pioniers Hermann Scheer ins Thema ein. In seinem Vortrag Energieautonome Praktiken zwischen flexiblen NutzerInnen, „Usability“ und mündigen BürgerInnen betonte Zelger, dass die Anforderungen zur Erreichung der Klimaschutzziele nicht allein den privaten NutzerInnen umgehängt werden dürfen. Erst gemeinsame Anstrengungen in den Bereichen Lebensstil, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien sind zielführend. Die Gebäude sollten auch mit ganz differenten NutzerInnen funktionieren, die NutzerInnen sollten die freie Entscheidung haben, ein relativ starres Verhalten oder eine flexible Anpassung an die äußeren Umstände zu wählen.

In dieselbe Kerbe schlug Michael Ornetzeder vom Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA) an der österreichischen Akademie der Wissenschaften: Den Nutzer, die Nutzerin gibt es nicht. Die Planung und Praxis in Vorzeige-Demonstrationsprojekten zwischen energietechnischen Lösungen und den NutzerInnen zeigt eine breite Palette an Rollen, Ansprüchen und Kompetenzen der NutzerInnen. Im Wechselspiel zwischen Technikentwicklung und Nutzungskontext kann es zu großen Abweichungen zwischen beabsichtigter Funktion und tatsächlicher Nutzung kommen. Auch wenn dies passiert, sollen Erfahrungen aus der Nutzung strukturiert in den Innovationsprozess zurückgehen. Denn: Gelingende Innovation braucht soziales Lernen!

Will man NutzerInnengerecht planen für gender- und diversitätsgerechte energieeffiziente Gebäude, so ist eine Differenzierung nach Gender und Diversity Aspekten für passgenauere Lösungen in der Planung, Produktentwicklung und Kommunikation nötig, wie Edeltraud Haselsteiner von URBANITY in ihrem Vortrag ausführte. Im Projekt GINGER wurden 10 Pilotprojekte (darunter auch Büro- und Bildungsgebäude) dabei begleitet. Wichtig ist, in der Planung die unterschiedlichen Lebensrealitäten der NutzerInnen zu berücksichtigen und die verschiedenen Gruppen in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Informationen sind nicht immer für alle gleichermaßen verständlich, verschiedene Lernstile, Medienkompetenzen und Zeitressourcen müssen mitbedacht werden.

Die Smartheit bzw. „Smart Readiness“ eines Gebäudes in einer einzigen Zahl auszudrücken, gibt die EU mit dem Smart Readiness Indicator (SRI) der EU Gebäuderichtlinie 2018 vor. Dieser soll von den Mitgliedsstaaten umgesetzt und voraussichtlich im Rahmen des Energieausweises angegeben werden. Was bringt der SRI für die NutzerInnenintegration und den Klimaschutz? fragte Johannes Fechner (17&4 Organisationsberatung GmbH). Im Projekt „SRI Austria – Smart Readiness Indikator: Bewertungsschema und Chancen für intelligente Gebäude“ (Projektleitung: AEE INTEC) arbeitet er an der Vorbereitung einer nationalen Spezifizierung des Smart Readiness Indikators für Österreich mit. Dass in dem Indikator sowohl die Anpassung des Energieverbrauchs an die Verfügbarkeit erneuerbarer Energie als auch die Anpassung an die BewohnerInnen und die Energienetze abgebildet werden soll, sorgt für Skepsis.

Die Haustechnik wird immer komplizierter, die Regeltechnik überfordert die Beteiligten. Jochen Käferhaus von der Käferhaus GmbH betont die Notwendigkeit einfacher, komprimierter Unterlagen für eine „Nachbetreuung“ der Schnittstelle Mensch/Maschine.
Wie den BewohnerInnen im Projekt way2smart die Möglichkeit gegeben wird, Energie flexibel für Heizung und Warmwasserbereitung zu nutzen, erklärt Rudolf Bintinger vom IBO.  Auch er betont die Wichtigkeit einer einfachen Visualisierung der Messwerte für die NutzerInnen, z.B. in „Ampelform“. Der Erfahrung, dass in Niedrigstenergiehäusern der Warmwasserverbrauch signifikant höher liegt als der Verbrauch für die Heizung, wurde im Projekt way2smart Rechnung getragen. Dezentrale Kombi-Boiler mit Wärmetauscher ermöglichen die Nachheizung  des Warmwassers aus den zentralen Wärme- (und Kälte)Speichern, die aus der Kombination PV und Grundwasserwärmepumpe gespeist werden. Damit wird eine individuelle Regelung der Warmwassertemperatur, ebenfalls unter Berücksichtigung des PV-Strom-Angebotes, ermöglicht.

Energieautonomes Verhalten zu fördern, ist Aufgabe der wohnbund:consult im Projekt way2smart. Neben der Sensibilisierung der Zielgruppe und der Konkretisierung der Inhalte/Möglichkeiten für die einzelnen NutzerInnen steht das Buddysystem als innovativer Ansatz für eine nachhaltige Verankerung von energieautonomem Verhalten im Zentrum der Ausführungen von Ernst Gruber. Dabei baut das Projekt auf die „innovationsfreudigen“ NutzerInnen als Schnittstelle zwischen Mensch und Technik.

In der Diskussion war insbesondere das Thema, „komplexe Inhalte in einfacher Sprache zu kommunizieren“. Nicht nur NutzerInnen sind sehr unterschiedlich – auch Stadt-PolitikerInnen sind sehr unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Auch hier ist es notwendig, komplexe Inhalte in – individuell angepasste – einfache Sprache zu übersetzen und die individuellen Vorteile aus dem Projekt hervorzuheben, betont Elisabeth Kerschbaum, Mobilitätsstadträtin in Korneuburg und Mitarbeiterin des IBO. Für Energieautonomie, Ökologie oder gar Forschung gibt es keine Verpflichtungen in den Leitlinien der Gemeindepolitik. Für die Motivation der Politik zählen vielmehr die Zufriedenheit der MieterInnen (=WählerInnen) mit einer höheren Qualität, Vereinfachung der Kommunikation durch eine „kompaktere“ Hausgemeinschaft bzw. Ansprechpersonen und der Aufbau von Kompetenzen in der Gemeindeverwaltung.